Wie entstand die Craniosacral Therapie?


Andrew Taylor Still (1828-1917). Der craniosacrale Ansatz hat seine Wurzeln in der Osteopathie (Knochenrichter). Dr. Andrew Taylor Still war ein tiefreligiöser Mann. Nebst seiner Tätigkeit als Arzt arbeitete er in der Landwirtschaft. Dieser Hintergrund tritt in vielen seiner Betrachtungsweisen deutlich zu Tage.
Als seine erste Frau und vier seiner Kinder innerhalb einer kurzen Zeitspanne starben und er als Arzt völlig machtlos zusehen musste, begann er nach einem neuen Verständnis von Gesundheit, Krankheit und Heilkunde zu suchen und betete intensiv für neue Einsichten. Wenig später eröffneten sich ihm die Grundzüge der Osteopathie.

Er entwickelte grundlegende Prinzipien. Für die Craniosacrale-Arbeit sind diese fundamental, unabhängig davon, ob sie als Teilgebiet der Osteopathie verstanden werden oder nicht.

  1. Die Betrachtung des Körpers als eine zusammenhängende Einheit
  2. Die innewohnende Tendenz des Körpers, sich selbst zu regulieren
  3. Struktur und Funktion stehen in enger wechselseitiger Beziehung
  4. Die Bedeutung von Beweglichkeit aller Strukturen für die Gesundheit


Heute ist die Osteopathie mehr als ein Knochenrichter, die Osteopathen arbeiten an allen anatomischen Strukturen.

Die craniosacrale Osteopathie wurde anfangs der dreissiger Jahre von Dr. William Garner Sutherland (1873-1954) entwickelt. Allerdings wurden schon im alten Griechenland craniale Manipulationen angewendet. Mit 25 Jahren begann Sutherland bei Dr. A.T. Still in Kirksvill/Missouri Osteopathie zu studieren. Nach dem Erlangen des Titels „Doktor of Osteopathie“ interessierte sich Sutherland für die Schädelknochen und Schädelnähte. Er konstruierte sich einen Helm, mit dem er an bestimmten Stellen seines Kopfes Druck ausüben konnte. Auf diese Weise erforschte er die Auswirkungen von Restriktionen an den Schädelknochen. Nicht nur, dass er mit Kopfschmerzen, Halluzinationen, Seh- und Hörstörungen auf diese künstliche Restriktion reagierte, sondern er überraschte seine Frau mit Persönlichkeitsveränderungen.
Sutherland entdecke nicht nur die Beweglichkeit der Schädelknochen, sondern auch die spezielle Dynamik der Hirnflüssigkeit, vor allem im dritten Hirnventrikel.
Er schrieb folgendes: „Innerhalb der Zerebrospinalen Flüssigkeit gibt es ein unsichtbares Element, das ich als „Flüssiges Licht“ und ATEM DES LEBENS bezeichne. Visualisieren Sie den ATEM DES LEBENS als eine Flüssigkeit innerhalb der Flüssigkeit, etwas das sich nicht vermischt, etwas was diese Potency hat als Kraft, die sich bewegen lässt“.
Dr. Sutherland forschte während 30 Jahren. Eine besondere Bedeutung in seiner Forschung war die Stille. Jeden Tag nahm er sich Zeit, „um der Stille zuzuhören“. Heute würde man sagen er meditierte. Und jedes Mal, wenn in seiner Arbeit neue Fragen auftauchten und er nicht weiter wusste, ging er in die Stille – solange, bis er aus der Stille heraus die Anregung zum Weiterarbeiten empfing. Dabei war er stark von dem Bibelzitat „Sei still und wisse…“ (Psalm 46,10) inspiriert. Eine weitere Grundhaltung in seiner Arbeit war das stete Suchen nach innerem Wissen, nicht nur das Streben nach blosser Information.

Es ist vor allem Dr. John Upledger (1931- 2012) zu verdanken, dass die Craniosacral Therapie heute so bekannt und beliebt ist. Er vertrat sie mehr als 25 Jahre offensiv nach aussen und war der erste, der sie über die kleinen Kreise osteopathischer Ärzte hinaus verbreitete. Er forschte an der Universität von East Lansing, Michigan (USA) unter anderem die Bewegung der Schädelknochen und konnte diese wissenschaftlich belegen.
Im Jahre 1970 hatte er das Privileg, das Pulsieren des craniosacralen Systems direkt zu beobachten, als er einem Neurochirurgen assistierte. Ziel der Operation war die Entfernung einer Kalkablagerung an der Dura mater (Hirnhaut – Halswirbelsäule). Upledgers Aufgabe war es, die Dura mit einer Zange zu fixieren, während der Chirurg den Belag abkratzte. Aber es gelang ihm nicht, denn sie schien ihre eigene Bewegung zu haben; unabhängig von Atmung oder Puls in einem Rhythmus von 10-mal pro Minute.

Zwei Jahre vergingen und weder bei Kollegen noch in der Fachliteratur fand er eine befriedigende Erklärung für seine Beobachtung. Doch dann besuchte er einen Kurs, in dem Sutherlands craniale Methode gelehrt wurde. Was er dort mit seinem Tastsinn spürte, konnte er aufgrund seines wissenschaftlichen Hintergrundes folgendermassen erklären: Die Bindegewebshülle, welche Hirn und Rückenmark und deren Flüssigkeit umschliesst, funktioniert und bewegt sich als Teil eines hydraulischen Systems.

Upledgers Ruf als Osteopath wuchs mit seinen Behandlungserfolgen. 1975 wurde er als klinischer Forscher an die Michigan State University berufen. Es war seine Aufgabe, die Existenz dieses dritten physiologischen Rhythmus wissenschaftlich zu bestätigen. Unter seiner Leitung untersuchte ein Team von Anatomen und Physiologen frische, anstatt vertrocknete, chemisch behandelte Präparate. Sie stellten fest, dass die Schädelnähte keine harten, verknöcherten Strukturen sind, sondern lebendig und von Nerven, Gefässen, Dehnrezeptoren und Kollagenfasern durchzogen sind. Sie führten ebenfalls präzise Messungen der Frequenz und Amplitude der Schädelknochenbewegungen durch. Sie konnten das Funktionieren des craniosacralen Systems wissenschaftlich beschreiben und verständlich machen, wie dies sowohl zur Diagnose als auch zur Behandlung eingesetzt werden kann.

Im Laufe der Zeit vereinfachte und verfeinerte Dr. Upledger die Behandlungstechniken der craniosacralen Osteopathie und entwickelte neue. Mit der von ihm begründeten „Somatic Emotional Release“ – Arbeit war er auch der Erste, der prozessbegleitende emotionale Arbeit als logische Fortführung in die Craniosacral Therapie mit einbezog.

In der Schweiz ist die Craniosacral Therapie eine fundierte, qualifizierte Ausbildung und kann an von CranioSuisse kontrollierten Schulen gelernt werden, nach erworbenen Branchendiplom steht der Weg offen zur höheren Fachprüfung, dem eidg. Dipl. KomplemtärTherapeut/in.


Quellenangaben:
Aus dem Buch Craniosacrale Heilkunst, Ramraj Ulrich Löwe
verschiedene Fachliteratur zur Craniosacral Therapie
persönliches Wissen Edith Travaini-Zellweger

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